Eisenbahnen in Nordamerika heute




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America's Super Railroads

Von Martin Stierlen

Bilder von Peter Speiser

Nach Wellen von Fusionen und Übernahmen, den sogenannten "Supermergern", sowie durch Rationalisierungs- und Modernisierungsmaßnahmen sind typisch amerikanische Besonderheiten wie Caboose (Güterzugbegleitwagen), mechanische Stellwerke, handgeschriebene Fahrbefehle und Schienen auf der Dorfstrasse rar geworden. Trotzdem hat der Güterverkehr auf der Schiene hat in den letzten Jahren einen ungeahnten Aufschwung auch gegen die Konkurrenz auf der Strasse erfahren.
Sprach man um 1990 noch von den "Super Seven" (Burlington Northern, Union Pacific, Southern Pacific, Norfolk Southern, CSX, Conrail und Santa Fe), so ist von den ganz grossen Gesellschaften nur mehr ein Quartett übrig geblieben:

Union Pacific


Streckenlänge: 32 800 mls (52 480 km) in 23 Staaten
Beschäftigte: 48 000 (2004)
Wichtigste Frachtgüter: Chemieprodukte, Kohle (240 Mio. t), Intermodal-Verkehr
Webpage: Union Pacific

UP
Zwischen Cheyenne und Denver (Sept 04)


Die meisten US-Bahngesellschaften sind im Laufe ihrer Firmengeschichte in Konkurs geraten, haben umfirmiert, und der heutige Name gibt keinen Hinweis auf ihre Ursprünge. Anders bei der Union Pacific, die bereits im Bürgerkriegsjahr 1861 ins Leben gerufen wurde. Mit ungeheurem Expansionsdrang hat die UP in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts nicht nur mittelgroße Bahnen mit strategischer Bedeutung, sondern auch die Erzrivalin im Westen, die Southern Pacific, und auch die traditionsreiche Denver und Rio Grande Western geschluckt. Konnte man früher von einer reinen Ost-West-Achse auf der sogenannten Overland Route zwischen Omaha (Nebraska) und Los Angeles, bzw. Portland (Oregon) ausgehen, werden heute auch der Chicago im Mittelwesten, sowie Texas und die Golfküste erreicht. Auf dem UP - Schienennetz waren in früheren Zeiten so grossartige Lokomotivkonstruktionen wie der "Big Boy" und die Challenger unterwegs, deren Namen auch heute noch dank einem Modellbahnhersteller aus Göppingen in aller Munde sind und weit über die amerikanischen Grenzen hinaus ein Begriff sind.

Burlington Northern Santa Fe

Streckenlänge: 33 000 mls (52 800 km)in 28 Staaten u. 2 kan. Provinzen
Beschäftigte: 38 000 (2003)
Wichtigste Frachtgüter: Intermodal-Verkehr, Getreide, Kohle, Chemieprodukte
Webpage: BNSF

BNSF
Kohlezug der BNSF mit 2 SD70MAC in Monument/Colorado (Sept. 04)


Die Burlington Northern war im Jahre 1970 aus den Gesellschaften Great Northern, Northern Pacific, Chicago, Burlington & Quincy und Spokane, Portland & Seattle hervorgegangen und erfuhr nochmals eine wesentliche Erweiterung mit dem Anschluss der St. Louis-San Francisco (FRISCO) im Jahre 1980. Bei der Atchison, Topeka and Santa Fe Railway sind überhaupt keine "Mergers" in der Firmengeschichte zu verzeichnen. Der Verkehr auf den Linien der BN konzentrierte sich auf die Verbindungen von Chicago in den Westen und Nordwesten der USA. Von der Frisco kamen Strecken in den Südosten bis Birmingham (Alabama) am Golf von Mexico hinzu. Die Santa Fe hatte von jeher nur ein Ziel: Eine schnelle Verbindung vom Missouri nach Westen. Nicht nur Luxuszüge für Hollywoodstars wie der "Super Chief", sondern die Fähigkeit, hochwertige Güter in möglichst kurzer Zeit quer durch die Staaten zu transportieren, wurden zum Markenzeichen dieser Bahngesellschaft. In den siebziger Jahren schaffte der "Super C" die Distanz L.A. - Chicago in 28 Stunden, eine nie wieder erreichte Rekordzeit. Anders als bei der UP, wo nach den Übernahmen rasche Umlackierungen für die umgehende Verbreitung des "Corporate Image" sorgten, wird es bei der BNSF noch einige Zeit dauern, bis das "Cascade Green" der BN und die "Warbonnets" der Santa Fe von den Schienen verschwunden sind, denn für keines der vier verschiedenen, nach dem Zusammenschluss in kurzer Abfolge vorgestellten "Paint Schemes" konnte sich das Management richtig erwärmen.

CSX

Streckenlänge: 23 000 mls (36 800 km) in 23 Staaten
Beschäftigte: 41 000 (2003)
Wichtigste Frachtgüter: Kohle, Chemie- Holz- und Papierprodukte, Mineralien
Webpage: CSX

CSX
Cumberland/Maryland (Sept. 2000)


Mit Wurzeln, die bis zum Beginn der amerikanischen Eisenbahngeschichte zurückreichen, bildet die CSX Transportation im Osten der Vereinigten Staaten ein wichtiges Gegenstück zu den Giganten, welche zwar den Mississippi, aber noch nicht die Appalachen überwinden konnten. Traditionell liegt die Grenze zwischen Ost und West mit St. Louis, Kansas City und New Orleans an den beiden großen Flüssen, dazu Chicago, das seit jeher als der wichtigste Eisenbahnknotenpunkt in Nordamerika gilt. Von dieser geographischen Trennlinie nach Osten bis zur Atlantikküste, von Washington, D.C. hinunter nach Florida, und im tiefen Süden bis nach Louisiana beherrscht die CSX den Verkehr mit Kohlen und Zitrusfrüchten, Hinter dem abstrakten Kürzel verbergen sich Chessie System: Chesapeake & Ohio, die 1828 gegründete Baltimore & Ohio und Western Maryland, die Family Lines: Louisville & Nashville, Seaboard Air Line, Atlantic Coast Line und Monon. Die Aufteilung des ehemaligen Conrail-Netzes im Jahr 1999 zwischen CSX (4 000 mls bzw. 6 400 km) und Norfolk Southern (7 200 mls bzw. 11 520 km) zeitigte grundlegende Veränderungen im Osten und Mittelwesten: Manches Streckenstück wurde aufgegeben, andere Abschnitte aus jahrzehntelangem Dornröschenschlaf geweckt. So ganz ist die Rechnung wohl nicht aufgegangen: In der Branche wird kolportiert, CSX hätte sich an dem Conrail-Anteil gewaltig verhoben.

Norfolk Southern

Streckenlänge: 21 500 mls (34 400 km) in 22 Staaten
Beschäftigte: 28 500 (2004)
Wichtigste Frachtgüter: Kohle, Holz- und Papierprodukte, Autos
Webpage: NS

NS
SD40-2 der NS und SD40-2 der Conrail warten in Altoona auf ihren Einsatz als Helper (Sept. 2000)


Schwarze Loks vor schwarzen Schüttgutwagen, beladen mit schwarzem Gold, unterwegs in den dunklen Tälern der Appalachen: Als Fotoobjekt nicht gerade auf dem ersten Platz der Beliebtheitsskala, wirtschaftlich gesehen jedoch ein solides, traditionsreiches Unternehmen. Die Vorgängerbahn Norfolk and Western ist ein Synonym für hervorragende Leistungen im Dampflokbau und -betrieb. Zu einer Zeit, als sich andere Gesellschaften längst der Dieseltraktion verpflichtet hatten, wurden in den Werkstätten von Roanoke/Virginia noch Maschinen entwickelt und gebaut, die der "modernen" Konkurrenz meisterhaft Paroli bieten konnten. Das Netz der Vorgängerbahnen hatte seinen Schwerpunkt im Osten und Südosten der USA, um den Rohstoff Kohle von den Gebirgen der Appalachen zu den Häfen der Ostküste zur Verschiffung zu bringen. Im Westen wurden Ohio, Kentucky und schließlich noch der Mississippi und damit die Grenze zum "Wilden Westen" erreicht. Auch dort wurden Großkraftwerke mit dem schwarzen Gold der Appalachen versorgt. Als Folge des "Clean-Air-Acts" wurde jedoch ab Ende der siebziger Jahre verstärkt schwefelarme Kohle aus Wyoming verbrannt, und die Verkehrsströme erfuhren eine grundlegende Wandlung. Die Norfolk Southern musste sich nach neuen Betätigungsfeldern umsehen. In den achtziger Jahren konnte durch konsequente Adaption des "RoadRailer"-Systems, bei dem LKW-Sattelauflieger mit Hilfsdrehgestellen schienentauglich gemacht, zu Ganzzügen zusammengefügt wurden, ein Marktbereich geschaffen werden, der auch zwanzig Jahre später noch funktioniert. Die Kohle aus den Appalachen ist zwar immer noch ein wichtiges Standbein, aber der Stellenwert ist eingeschränkt. Die Übernahme der Conrail-Anteile wurde besser verkraftet als bei der Konkurrentin CSX.


Amtrak und der Personen-Nahverkehr in den USA heute


Webpage: Amtrak

Amtrak
Genesis im Sunnyside Yard New York (Sept. 2000)


In den späten sechziger Jahren verwandelte sich der anhaltende Niedergang des Personenverkehrs wegen der Kündigung des Mailcontracts auf der Schiene in einen Sturzflug. In dieser Zeit stand die Zukunft der Eisenbahn auf dem Nordamerikanischen Kontinent als Ganzes auf der Kippe und die gewaltigen Verluste veranlassten selbst die finanzkräftigsten Bahngesellschaften, beim Reiseverkehr das Handtuch zu werfen. Das Ende der Bahnpostbeförderung versetzte sowohl den Fernzügen als auch den "Locals" den Todesstoß. Um wenigstens ein rudimentäres Schienenfernverkehrsnetz aufrecht zu erhalten, rief die Regierung im Jahre 1971 die "National Railroad Passenger Corporation" ins Leben, publikumswirksam "Amtrak" getauft. Nach und nach wurden sowohl eigene Personale eingestellt, als auch Loks und Wagen angeschafft, die zunächst von den Vorgängerbahnen stammten und sich nicht selten in beklagenswertem Zustand befanden. Im Laufe der Jahre konnte sich die Amtrak als Reiseunternehmen mit ordentlichem Qualitätsstandard etablieren, die stetige Kürzung der Zuschüsse und die Ungewissheit über die eigene Zukunft sorgen in der Öffentlichkeit jedoch für ein eher negatives Image.

Ganz im Gegensatz hierzu erfährt der Personen-Nahverkehr in den Ballungsräumen des gesamten Kontinents eine fulminante Wiederauferstehung. Gerade staugeplagte Pendler in den Megametropolen setzen wieder auf die Bahn, nachdem der Individualverkehr auf der Strasse an seine Grenzen gestossen ist. Attraktivität in Optik und Fahrplangestaltung rücken dieses fast verschwundene Segment des amerikanischen Schienenverkehrs wieder in den Blickpunkt.

Metro
Newark (Sept 2000)



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